Schlüter Erster
Theil
1801 –
1884
(Fortsetzung)
75
O Herz, was frommt’s, daß rings
die Erde quillt,
Wenn weit umher auf neuen,
frischen Wegen
Aus dunkler Tiefe Leben keimt
entgegen
Vom Sonnenstrahl erschlossen
sanft und mild,
Bleibt doch die ew’ge Sehnsucht
ungestillt;
Erblickst du doch im
unermess’nen Segen,
Daß alle Kreaturen liebend
hegen,
Ob unbewußt, ein einig selig
Bild,
Das leuchtet, glüht mit Lieb’
und Lebenswonne
Durch alle Herzen selig
zitternd hin,
Die trunken ihm nur Huldigung
erweisen.
Sein Bildniß ist die äußre
Tagessonne;
Im Wort des Lebens strahlt’s
dem innern Sinn;
O laß nicht ab auch hier schon
ihn zu preisen!
76
Ich kenne ihn; wie könnt’ ich
sonst ihn nennen
Mit Namen, selig in Entzückungsschauern.
Ich kenn’ ihn nicht; behauptend
ihn zu kennen
Fühl’ ich Gefahr im Hinterhalte
lauern.
Ich kenn’ ihn wohl; könnt’ ich
für das entbrennen,
Was unbekannt, und als
Verbannter trauern?
Nein, nein, ich kenn’ ihn
nicht; schnell möcht’ sich trennen,
Auf dessen Nam’ ich fuße, wie
auf Mauern.
Weh, wie geschieht mir, denn es
straft mich Lügen
Sein Wort in mir, will ich mich
kundig nennen
Dessen, der ist; und laß ich
mich besiegen
Und will ihn nicht zu kennen
schnell bekennen,
Müß ich auch hier vor seinem
Wort erliegen.
Was bleibt mir nun, als stumm
in Liebe brennen?
77
O du, der selbst die ew’ge
Wahrheit ist,
Den, aus der Ferne ahnend, wir
erkennen
Im Nebelthal und in der
Sehnsucht brennen,
Eilend zu dir, wo man des Grams
vergißt;
Du, der ganz unsres Herzens
Qual ermißt
In langer Nacht, wo wir zu dir
nicht können,
Wo Abgrundsrisse fern von dir
uns trennen,
Vergiß uns nicht, der du die
Liebe bist.
Send’ uns des ew’gen Tages
Morgenträume,
Zu locken uns auf deine sel’ge
Spur,
Daß ew’ges Leben Wurzeln
schlag’ und keime.
Und ihm, dem keine Blum’ auf
ird’scher Flur
Mehr blüht, zeig’ ihm die ewige
Natur,
Daß er entzückt des Wegs dahin
nicht säume.
78
Und schwingt der Lenz sich aus
der Nacht hervor,
Aus Winters Grab in sel’ger
Auferstehung,
Geweckt vom Liebesstrahle zur
Erhöhung
Des Lichts in aller Wesen
sel’gem Chor;
Schließt hinter ihm sich zu das
schwarze Thor
Der Finsterniß, wenn trunken
mit Verschmähung
Der Banden all’ zu heitrer
Festsbegehung
Er nun sich schmückt und nichts,
gar nichts verlor.
O möcht’ auch ich am
Frühlingstag der Gnade
In sel’ger Liebeshoffnung
morgenroth
Dahinten lassen Sünde, Nacht
und Tod,
Gekräftiget in ew’gem Stromes
Bade
Empfinden ganz, was ew’ge Huld
mir bot,
Und trunken knien an heil’ger
Bundeslade.
79
Trittst du an’s Licht, ein
jugendfrohes Kind,
Aus dunkler Traumwelt in das
helle Leben,
Bald neue Träum’ dich und die
Ding’ umschweben,
Ein neuer Traum des alten Platz
gewinnt.
Ach Alles glänzt und lockt; von
Glorie sind
Die Herrlichkeiten dieser Welt
umgeben,
Furcht, Hoffen, Liebe, Haß und
Zornesbeben
Durchzückt dein Herz und lähmt
und macht es blind.
Ach Wen’ge nur vergessen,
selbst sich suchend,
Nicht ihres Herrn und jener
Herrlichkeiten,
Die uns von Anbeginn bereitet
sind.
Glückselig, wem sein Licht in
früher Jugend
Im Traume zeigt den Tag der
Ewigkeiten,
Daß ird’scher Traum nicht
überhand gewinnt.
80
Lern’ höflich sein, der Liebe
eignet’s traun!
Doch merk’, o Freund, es gibt
drei Höflichkeiten:
Die will nur sich, die Andern
Lust bereiten,
Die an der Gottheit Ehrentempel
bau’n.
Drei Höfe gibt’s; der eine in
den Au’n
Des Himmels um den Fürst der
Ewigkeiten,
Der andre auf der Erd’ im Lauf
der Zeiten,
Der dritte tief in Satans Nacht
und Graun.
Drum gibt es denn der Höflichkeiten
drei:
Der Liebe Glanz blickt aus der
ersten vor,
Sie sucht des Nächsten Heil und
Gottes Ehre;
Die zweite schlau und nie von
Selbstsucht frei,
Ist nichtig wie die Welt; nie
leih’ ein Ohr
Der dritten; die nur sinnt, wie
sie zerstöre.
Die Palme wünsch’ ich mir am
hohen Ziele,
Doch möcht’ ich Staub und
Schweiß der Rennbahn meiden,
Mich lockt der Siegeskranz in
Festesspiele,
Doch möcht’ ich von Gefahr und
Leid mich scheiden.
Mich lockt am Abend der Oase
Kühle
Am Palmenquell; doch möcht’ auf
grünen Weiden
Am Tag ich weilen, statt in
Sandesschwüle
Zu schleppen meine Bahn und
viel zu leiden.
Und heiß begehrt die Siegeslust
zu theilen
Mein Herz der Helden, doch am
Tag der Schlachten
Möcht’ ich nicht gern im
Pulverdampf mich zeigen.
Ach, armes Herz, wie klug weißt
du zu theilen,
Du möchtest gar, wenn wir es
recht betrachten,
Die Höh’ erklimmen sacht’ im
Abwärtssteigen.
Wünsch’ dir nicht Ruhe außer in
Bewegung;
Vom Kampfplatz fern des Lebens
Pulse stocken,
Unangeschlagen tönen keine Glocken,
Kein Kampfpreis winkt in träger
Friedumhegung.
Unscheinbar ist, wie todt, was
ohne Regung,
Nur, was bewegt, wird
unwillkürlich locken
Aufmerksamkeit. Die hinterm
Herde hocken,
Sie sterben ruhmlos; braucht’s
der Widerlegung?
Metallisch ist der Geist, nicht
Gold, nein Eisen:
Träg’ rostet er, wie
ungebraucht der Pflug;
Unthät’ges Herz verstumpft,
bedeckt von Schimmel.
Laßt uns das Sein, das stets
bewegte, preisen,
Das dennoch ruht in sich, sich
gleich im Flug,
Was fern dem Kampfplatz, freut
selbst nicht den Himmel.
Wollt, Pilger, ihr zum schönen
Ziel gelangen,
Wo Himmelsgnade küßt die trübe
Erde,
Aus jenen Höhn euch schallt ein
neues „Werde“
Des sel’gen Lebens, das euch
aufgegangen;
Was doch mit Schachteln, Kasten
euch behangen
Und Büchsen, bei der Sorge
Angstgeberde:
Ihr unterläget Mangel und
Beschwerde
Auf weiter Bahn, vom Tode
bleich die Wangen?
Steigt auch in luft’ger Gondel
auf zum Mond
Bei Nacht ein Schiffer, wo in
Aethersälen
Der Sternwelt heiliges Geheimniß
thront?
Wird er nicht ewig seines Ziels
verfehlen,
Wenn ängstlich er den
Erdenballast schont,
Statt ihn der Welt und sich
Gott zu befehlen?
Die Stümper itzt will ich dir
klar bezeichnen,
Pfuscher von Haus aus; von der
Himmelshöh’
der heil’gen Schönheit fielen
sie zum See
Der Mode, wo Natur und Gott sie
leugnen.
Nur Himmlisches nicht können
sie aneignen;
Wo himmlische Gesichte der Idee
Ein Weiser sieht, laut schrei’n
sie Ach und Weh,
„Idee nur ist’s, wie mag sich
die ereignen!“
Und wie vom Anbeginn der
Menschen Schaar
In Kindern Gotters und der Welt
geschieden,
In Gott- und Satans-Reich
getrennt war
Und ist, so gleicher Weise
nimmst du wahr
Im Reich des Schönen, die den
Tand stets mieden,
Und die nie schmeckten heil’ger
Schönheit Frieden.
Den Einzelnen verdirbt die
Schmeichelei
Der Einzelnen; verleumderisch
Beginnen
Läßt Andre kaum zum Athmen Zeit
gewinnen,
Ward aus den Einzelnen Clubb
und Partei.
Mit kieselfrecher Lüg’ und
Heuchelei
Preist jede Schaar sich den
verwirrten Sinnen
Des Neulings; nur die Wahrheit
zu umspinnen
Ist Aller Werk, wie vielfach
ihr Geschrei.
Weß Auge dringt durch solche
dicke Nebel
Und Qualm des Höhenrauchs, drin
blutig roth
Der Wahrheit Sonne selbst
verschwunden schier?
Sie nennen Götter sich,
selbander Pöbel,
Sie wissen’s wohl; wer
Huldigung nicht bot
Der Lüg’, ist ihnen wie ein
seltnes Thier.
O nennt nicht Tiefsinn solche
Selbstverdumpfung,
Hohl und verzweifelnd, Söhne
dieser Zeit,
Nicht Zukunftsknospen eure
Hagerkeit
Und frost’ge Dürr’ in grauser Herzverschrumpfung!
O nennt nicht praktisch eure
Einversumpfung
In schnöden Bauchdienst dieser
flücht’gen Zeit,
Ihr ew’gen Schwalben,
Aufgeblasenheit
Nicht Größ’, und Heroismus
Geistabstumpfung!
O kritisch Volk, den krit’schen
Essig sucht
Mit Wein der Poesie ihr zu
versetzen,
Credenzend solchen Krätzer
eurem Götzen!
Kaum aufgesproßt, ihr Dornen,
schon verflucht,
Ein nackt Gestripp, mit Rosen
nie zu letzen
Ein Menschenherz, hat Lieb’
euch nie besucht?
Fürwahr, euch kaufet Keiner,
der euch kennt,
Blindschleichen in dem
ausgefahrnen Gleise
Der Zeiten Bahn, die Herzen
starr auf Eise,
Dieweil im Kopf ein rußig Feuer
brennt.
Nur was absurd, wird stets euch
evident,
Geschürzt stets seit ihr und
bereit zur Reise
Mit Traumesflugwerk, nach Ikar’scher
Weise,
In’s Land des Wahns; „Nichts“
heißt eu’r Element.
Schwachköpfe, Herzenszwerg’ und
Finsterlinge,
Die um die Dämmrungszeit den
Flug beschreiben,
Doch auf Minervens Helmbusch
nie gesessen,
O Vaterland, weiß Gott, nur zu
geringe
Dich schätzend, Spott sie mit
der Mutter treiben;
Kannst du, lehr’ endlich sie
sich selbst vergessen!
88
Um Eins laßt uns, eh’ sich im
Ost die lichten
Gewölke theilen, wenn sie sanft
erröthen,
Zum Herrn der Welt vor
Sonnenaufgang beten:
Erfüllung unsrer kleinen
Alltagspflichten.
Nur Großes wollen Alle sie
verrichten,
Den Pfad, von alter Tugend
ausgetreten,
Vermeiden sie, als ihrer
Majestäten
Unwerth; nichts wird, weil gar
zu hoch ihr Dichten.
Kann, wer nicht klein beginnt,
wohl groß vollenden?
So stehn sie gaffend rings mit
müß’gen Händen,
Die Träggeschäft’gen schwatzend
aller Enden.
Und mag die Lieb’ holdselig
sanft sie laden,
Die Demuth bieten gleich den
Anfangsfaden
Zum großen Werk, man säumt zu
ew’gem Schaden.
Hinweg vom Kampfplatz, starke,
schöne Geister,
Wie ihr euch nennt, o schwach,
verzerrt und klein
Erkennt, wer klarer blicket,
euch zu sein;
Zwergschüler seid ihr, Riesen
nicht, noch Meister.
Großsprecher stets, doch keine
Zahlungsleister,
Statt Früchte bringt ihr schale
Näscherei’n.
Der weise Arzt blickt zürnend,
spöttisch drein,
Euch, Aerzte nicht, nein,
Sudelköche heißt er.
Hinweg vom Kampfplatz! Männern
nur gebührt
Der Platz, wo ihr euch
eindrängt, niedre Schmeichler
Des Lasters, die ihr stolz die
Tugend meistert.
Nur Schande deckt, was eure
Hand geziert
Mit schlechtem Lorber, ha,
Gesundheitsheuchler,
Die nichts als schlechter
Modequalm begeistert.
Bang’ zittern sie, naht ihnen
die Idee,
Die Urnacht, drin sie weilen,
sanft zu lüften
Durch Glaubenslicht; von bösem
Unruhstiften
Aufreden sie und drohen Tod und
Weh.
Zu Muth wird ihnen bei des
Heil’gen Näh’,
Wie einst bei ihren Rechnungen
und Schriften
Den Wechslern, Taubenhändlern,
als in Lüften
Die Geißen sauste, zürnend in
der Höh’.
Sie wollen Keinen, sie soll
Jeder hören,
Mit ihrem Wort von seichtem
Erdenwohl,
Zerstörung übend soll sie
Keiner stören.
Kein sichrer Widerhall, obschon
sie hohl,
Ertönt aus ihnen, die sich toll
bethören;
Ihr Sinn ist zu, das Spinnrad
ihr Symbol.
Gesetze blühn, rings Alles wird
gesetzlich,
Schon herrscht Gesetz, im
Einzeln wie im Ganzen,
Gesetz muß jede freie That
umschanzen,
Was nicht aus dem Gesetz, ist
widersetzlich.
Die freie Liebe selbst ist zu
ergötzlich
Und nicht Gesetz. Verhaßt sind alle Pflanzen
Mit Blüthen vor der Frucht,
verhaßt das Tanzen;
Gehn, laufen, rennen dürft ihr
gar entsetzlich.
Will einer etwas guten Willen
zeigen,
Man wehrt die Freiheit ihm
nicht ist’s geboten,
Und jeder Ueberschuß dünkt
ihnen schrecklich.
Man spricht vom Baum, vom
Wachsen: alle schweigen.
Allein Maschinen sä’n und drehn
die Todten,
Und all’ ihr Mühn ist dennoch
unerklecklich.
Wie doch, o übermüth’ge
Splitterrichter,
Die ihr zerpflückt sonst jedes
Meisters Kranz,
Nur Glieder seht, doch keines
Leibes Glanz
In Schönheitsweben, umgekehrte Dichter,
Ob ihr vertheidigt jegliches
Gelichter
Von eurem Schlag’, was ohne
Kopf und Schwanz,
Oft rühmt und preist: o wie
doch nennt ihr ganz
Noch diese Welt, bestochene
Berichter?
Die ihr so scharf doch blickt
in eurer Zunft,
Was seht ihr hier nicht allumher
die Splittern
In Aug’ und Antlitz aller
Kreatur?
Was nennt ihr schön sie,
trotzend der Vernunft,
Die Wesen, die verwesen, die
verwittern,
Wo Todessichel herrscht auf
weiter Flur?
In staub’ger Mühl’, o ihr
betrübte Müller,
Bevor ihr mahlt, sorgt erst doch für Getreide
Durch Göttergunst; wozu euch
das Geschmeide,
Seid ohne Mehl ihr schlechte
Säckefüller?
Wähnt ihr, nachahmend Jean
Paul, Goeth’
und Schiller,
Daß euch ihr Gang und Schritt
vom Pöbel scheide;
Umsonst führt Aug’ und Ohr ihr
auf die Weide.
Mehl gilt es, nicht die alten
Mühlentriller.
Werth der Unsterblichkeit zu
werden, strebt
Zuvor das Lob der Mitwelt zu
verachten;
Schreibt ihr, bedenkt, der Himmel
sieht euch schreiben.
Darf er nicht eure Zeilen sehn,
so bebt
Um euren Ruhm, was auch die
Menschen sagten;
Was Gott gefällt, nur wird
unsterblich bleiben.
Du stiegst empor zum höchsten
Ehrengipfel,
Und schwebst anitzt dort, wo
der Kork sich zeigt,
Ob unter dir die Fluth tief
oder seicht;
Nicht steigt herab von seinem
„I“ der Tüpfel.
Süß lockte dich Geräusch der
Cedernwipfel
Auf steiler Höh’: da machtest
du dich leicht
Von Grundsatz, Ehr’ und Tugend,
und erreicht
Hast du’s, es zerrt der Neid an
deinem Zipfel.
Allein der Neid sieht falsch
und thut sehr thöricht,
Er lernte nicht, daß Ehre, Gold
und Würden
Nur Zierde dem, der rechtlich
sie erstrebt.
Der Weise achtet sie wie Spreu
und Kehricht;
Im Thale wandelt er mit höhern
Zierden
Geschmückt, als du auf deiner
Höh’ erlebt.
Die Vielgeschäft’gen reden aus
der Welt,
Die Selbstgefälligen aus eignem
Sinn
Und eignen Sinnen, ohne viel
Gewinn;
Aus Büchern schöpft die Red’
ein Bücherheld.
Ach jedes Urtheil, das die
Zunge fällt,
Geschöpft nicht aus der
Wahrheit, schnell dahin
Ist’s, wie im Herbst die falben
Blätter fliehn,
Vom Sturm gejagt in’s öde,
weite Feld.
Du schöpf’ aus eignen Herzens
inn’gem Grunde,
Wohnt Gottes Geist in dir, der
süß und hehr
Der stillen Lauscher selig
unterrichtet.
Licht, Nahrung, Wärme tönt von
deinem Munde
Und ew’ge Kraft in Herzen um
dich her,
Du führst das Schwert, das
jeden Hader schlichtet.
Vergebens rufst, mich lockend
mit Gewinnste,
Du meinen Geist in deiner Worte
Zwickeln,
Ihn labyrinthisch künstlich zu
verwickeln
In’s knot’ge Netzwerk deiner
Hirngespinste.
Der Weisheit Preis, so deine
Kunst dir zinste,
Ist kleiner Lohn; er kann den
Geist zerstückeln,
Doch nicht des Herzens ew’gen
Keim entwickeln
Nach Einem strebt’s, doch du
hast viele Künste.
Von deines Gartens
vielverschlungnen Krümmen
Wend’ ich zurück mich in des
Herzens Stille,
Der ew’gen Weisheit Nähe zu
verehren.
Dort seh’ ich unermess’ne
Schätze glimmen,
Und im Moment, ist’s ew’ger
Weisheit Wille,
Macht sie mich reich und stillt
all’ mein Begehren.
O blinder Thor, dir scheint die
Welt entgöttert,
Weil dort kein Sonnengott die
Rosse lenkt,
Nachts keine Göttin mehr den
Wagen senkt,
Kein Zeus im Zorn die
Wolkennacht durchwettert?
Dir steht der heil’ge
Lebensbaum entblättert
Beim Strahl des Lichts, das
Erd’ und Himmel tränkt
Mit einem Liebesocean. O denkt
Dein Hirn nicht mehr, hat es
der Blitz zerschmettert?
Läßt liebend nicht die Eine,
allerhalben
Ob dem Geschöpfe, segnend sich
hernieder
Zu dem Geschöpfe, das er hält
und trägt?
Ward er nicht Mensch, beut er
in tausend Gaben
Dir nicht sich selbst, sind wir
nicht seine Glieder,
In deren Herz sein Lebenspuls
sich regt?
Fest schloß sich eurer Herzen
Himmelthor;
Kein sanfter Laut, kein milder
Widerschein
Dringt in die Höhle noch von
oben ein;
Mit eigner Hand schobt ihr den
Riegel vor.
Und statt der Sonne glänzt ein
Meteor
Des Todes, mit der Hölle im
Verein,
Vor eurer Seel’; es wird
erloschen sein,
Eh’ ihr es denkt, wenn Alles
sich verlor.
Dann steht in grauser Nacht ihr
einsam da,
Und schaut in’s Dunkel, lauscht
in Todesstille,
Bestürzt, wie solch ein
Trugbild euch belog,
In welchem Zukunft, Gott und
Himmel sah
Eu’r zaubertrunknes Herz, das
aus der Fülle
Des sel’gen Tags in ew’ge Nacht
euch zog.
Seit manchem lieben Jahr seh’
ich dich fliehn
Vor keinem Menschen, außer nur
vor dir;
Dir selber fremd, gehörst du
Allen schier,
Begrüßt von Allen, die vorüber
ziehn.
So nascht dein Geist und flieht
die Medizin,
Die schnell dich heilte. Ach, an jede Thür
Pochst du vertrauend, suchend
dort und hier,
Nur bei dir selbst nicht,
anderswo so kühn.
Und hast du denn seit Jahren es
erkannt,
Wie solches Kraut und Wurzel
dir nicht frommen,
Was suchst du solche Wurzel,
solches Kraut,
Durch Dämons Macht, wie außer
dich, gebannt?
Zu Allen kamst du, kannst zu
dir auch kommen;
Auf, und dem bess’ren Geist in
dir vertraut!
Dir ward zur Liebe, die zur
Einung ladet,
Auch Kraft der Selbstheit, so
die Liebe schützt
Durch richt’ge Scheidung;
schlechtbewahrt und stützt
Den Schritt, wer stets in
weichem Flugsand wadet:
Sei er vom Himmel noch so reich
begnadet,
Wer abzustoßen nicht die Kraft
besitzt,
Was fremd nur hemmt und nimmer
fördernd nützt,
Geht elend unter; was nicht
nützt, das schadet.
Religion, Kunst, Wissenschaft
und Leben
Sind edler Sammlung Töchter,
nicht Zerstreuung
Erleiden sie, die jedes Fremde
duldet.
Nicht wirst du je zum Höchsten
dich erheben,
Fehlt dir des Hasses Kraft; zu
der Erneuung
Kommt nicht, wer sich durch
falsche Lieb’ verschuldet.
Du suchst dich selbst? Recht und wir müssen’s loben;
Dein wahres Selbst, es ist der
Gottheit Zier
Und Ebenbild; als es verloren
schier,
Er sucht’ und fand’s, und hat
es aufgehoben.
Doch außen nicht, such’s innen,
such’ es oben,
Such’s nicht im Lebensstrudel
außer dir,
Wo es nicht weilt; verloren
wird es hier,
Allein gefunden nur in ihm dort
oben.
Dahin von innen her dich flugs
gewendet,
Wo du dich wahrhaft findest und
erblickst
In deinem Urbild, herrlich in
der Höhe.
Nicht sei an Aeußres, Niederes
verschwendet
Des Herzens Seufzer, den du
heiß verschickst.
Hinweg von dort; was du nicht
bist, verschmähe.
Wir Menschen gehn auf Eis;
leicht gleiten wir,
Wird uns die dunkle Fluth zum
kalten Grab;
Auf Gluthenasche wandeln wir
hinab,
Gähnt je der Schlund, geht auf
die Flammenthür.
Vom Tod nicht ferner, denn der
Schiffer schier
Im Meer auf morschem Kahne,
fern dem Kap,
Ein zollbreit Holz hält sein
Verderben ab,
Ein Sommerfaden uns vor Anker
hier.
Und doch, o Preis des Ew’gen
Huld und Güte,
Trotz aller Elemente Drohn und
Tücke,
Feindsel’ger Kräfte
mördrisch-finstrem Lauern,
Froh kosten wir des Lebens
heil’ge Blüthe.
Sanft naht der Tag, die Nacht
mit sel’gem Glücke
Die Seele tränkend mit
Entzückungsschauern.
Blick’ auf mein Herz zum
lichten Himmel droben,
Zu Staube wird, wem Staub den
Ursprung gab,
Nur Ird’sches schlingt der
Zeitenstrom hinab;
Im Todessturm wird Ew’ges sich
erproben.
Dort, wo sie wandeln, jene
lichten Globen,
Weilt, was von oben über Zeit
und Grab
Entrückt der Dämmrung, wo ihr
Herrscherstab
Nur Thönernes zerschlagen darf
mit Toben.
Was wahrhaft, edel, gut und
groß befunden
Im Zeitgebiet, vom Himmel kam
es nieder,
Um unter Schatten tröstend hier
zu weilen.
Doch als es unten keine Stätte
funden,
Schlug’s, eingedenk der
Heimath, sein Gefieder,
Mit dem, was ihm verwandt,
schnell ’rück zu eilen.
Noch lebt der Geist des Herrn;
ein jeder Seher
Hat Theil an ihm, der göttlich
Wahres sieht,
Der Heuchelei und Trug wie
Seuche flieht,
Und auch die Wahrheit thut,
kein bloßer Späher.
Umsonst das Grab versiegeln
Pharisäer,
Das nicht der Geist erwach’,
ihr starr Gemüth
Ist kalt und finster, zu, dem
Lichtgebiet;
Umsonst den Geist verleugnen
Saduzäer.
Der Buchstab’ tödtet; doch der
Geist zersprengt
Mit Engelstärk’, ein
Schmetterling, die Hülle
Und schwingt sich auf in
heil’ge Himmelslüfte.
O wer nicht liebt, im Tode
eingeengt
Bleibt er ein Sklav’; o Lieb’
ist Lichtesfülle,
Ist Kraft und ew’gen Geistes
Lenzgedüfte.
Um Mitternacht stand ich auf
Thurmeszinnen,
Schon schlief die Stadt; da
ward mir fern entdeckt
Ein stilles Haus, noch saß man
aufgeweckt
Dort bei der Spindel, frisch
wie im Beginnen;
Und Liebe sah und Achtung ich
gewinnen
Ein Jedes dort, vom Andern
ungeschreckt;
O, wie sie eins! wie rein und
unbefleckt
Dort Lieb’ und Friedensströme
niederrinnen!
Sanft lenkt der Mann das Weib
mit ernstem Mahnen,
Das Weib die Töchter, gern
gefolgt von diesen,
Als sei ihr Wort des Vaters
eignes Wort.
Hier stehn sie noch, der
Ordnung alte Fahnen,
O häuslich strenge Sitte, hoch
gepriesen,
Und Innigkeit; o sel’ger
Zufluchtsort!
Wie glänzt ob jenem Haus ein
schöner Stern,
Wo Jedes je dem Andern freudig
dient,
In seinem Blick den Wunsch zu
finden sinnt,
Eh’ er noch kund, zuvor ihm
eilend gern;
Wie eitler Ueppigkeit und
Thorheit fern
Dort Mann und Weib und ihnen
gleich das Kind!
Doch macht sie
Selbstgefälligkeit nicht blind;
Wohl merken sie’s, solch Glück
kommt nur vom Herrn.
Ihn dankt man froh. Für
kleinsten Dienst verpflichtet
Ein Jedes sich dem Andern lange
glaubt,
Und sorgt, wo es Gelegenheit
erspähe.
Zum Gatten ist der Gattin Blick
gerichtet,
Des Gatten Blick zu Christ als
seinem Haupt.
So schmeckt man hier schon
ew’ger Liebe Nähe.
Wie lang’ ist’s her, sprich,
Wächter, seit zu Grabe
Die häuslich edle, alte Sitte
ging,
Die neuer Bettelstolz nun
schätzt gering,
Daß, traun, sie seltner, denn
ein weißer Rabe?
Wohl sahst du sie, bereits ein
Greis am Stabe,
Als Jugendlock’ um deinen
Scheitel hing,
Und nennst die Zeit, wo an zu
wirken fing
Die Pest, die tödtet Ehre,
Sitt’ und Habe.
Du sprachst: ja, auf Redouten
und auf Bällen
Wird der Natur durch Kunst der
Hals verschnürt,
Des Herzens freud’ger Friede
strangulirt.
Zur Ueppigkeit schnell Laster
sich gesellen,
Zerstreuungssucht muß jede Tugend
fällen,
Und schnöder Flittertand die
Bahre ziert.
Ob allem Schönen bricht die
Zeit den Stab,
Das Schlechte bleibt, schnell
muß das Edle schwinden,
Wie kühn und schön es
Menschenhand mocht’ gründen,
Es stürzt, mit ihm, was ihm den
Ursprung gab.
So stürzen Jünglinge wie Greis’
in’s Grab,
Gemischt sie taumeln zu des
Todes Schlünden;
Kaum mag zu blühn, was gut, die
Stätte finden,
Schon schlingt’s die Zeit mit
Tigerschlund hinab.
Weh, und es bleibt die taube,
dunkle Erde
Wie ewig fest; nicht wankt des
Berges Rippe,
Nur das Skelet des Lebens
wanket nicht.
Das Meer, noch donnert’s wie
beim Schöpfungswerde,
Der Ströme schont die grause
Todeshippe,
Nur Todtes nicht des Todes
Faust zerbricht.
O klage nicht, daß schnell der
Reiz entschwindet,
Macht, Weisheit, Tugend.
Schönheit nicht verweilen,
Daß sie vom Ort der trüben Oed’
enteilen
Dort, wo sich hell der ew’ge
Tag entzündet.
Sie fliehn, nachdem sie
treulich uns verkündet
Ein Glück, das höhre Zonen uns
ertheilen;
Weh! wollte Weltlust unsre
Wunden heilen,
Wenn ird’scher Wonne Dauer wär’
verbündet.
Verstummt schnell wäre die
Prophetenzunge
Der heil’gen Sehnsucht nach dem
sel’gen Strande
Der Heimath. O, wer würd’ um’s
Ew’ge werben!
Kehrt ird’scher Glanz mit
heil’gem Flügelschwunge
Zur Heimath, dehnt auch unser
Geist die Bande
In Sehnsuchtsgluth, dem Tode zu
entsterben.
Arbeit genug hab’ ich im Leben
funden;
Arbeit und Kampf und Schweiß,
sie sind mir recht,
Doch nicht eracht’ ich mich als
steten Knecht
Der Müh’ und Noth, von Sorgen
überwunden.
O heil’ge, seilige
Erinnrungsstunden,
Momente, wo sich
Himmelshoffnung regt
In Blitz der Lieb’ und Andacht;
o wer trägt
Des Lebens Last, der nimmer
euch empfunden!
Ein freier Knecht bin ich; wohl
ist mir werth
Der Wahrheit Preis, des Lorbers
edler Zweig,
Im Kampf mit Lüg’ und
Schlechtigkeit errungen.
Doch meines Herrn zu denken
auch begehrt
Sehr oft mein Herz, und sein
verheißnes Reich
Ist’s, drum mein Schwert ich
hab’ mit Kraft geschwungen.
Ein Engel weilt mit uns, von
heitern Hügeln
Und ewig lichten Au’n
herabgesandt,
Der mahnt durch’s Leben uns
an’s Vaterland,
An Quellen, drin sich ew’ge
Palmen spiegeln.
Tritt Psych’ an’s Licht, legt
er um’s Aug’ ein Band
Von leichtem Flor, sie
mächt’ger zu beflügeln,
Der äußern Freuden Pforten zu
verriegeln
Bemüht, bis sie den Weg zum
Innern fand.
Hat er sie dort, so zeigt er
ihr den Lauf
Von dort nach oben zu der
Zukunft Reichen;
Ein hohes Glück scheint
glänzend ihr zu tagen.
Er kos’t mit ihr, schwingt sich
mit ihr hinauf,
Spricht Ahnungsworte leis’ im
tiefsten Schweigen
Und lehrt sie fröhlich hoffen
und ertragen.
Nacht bringt uns Tod und reines
Licht nur Schmerzen,
Uns taugt nicht reiner Tag,
noch ganze Nacht.
Im Reich der Trüb’ und
Dämmrung, wo entfacht
Die Nacht am Tag, sieh’ heitres
Leben scherzen.
Weh uns mit unserm schwachen
Menschenherzen,
In hellsten Tag aus finstrer
Nacht gebracht:
Wie ständen wir zerschmettert
und verzagt
In einem Saal von Millionen
Kerzen!
Gottmenschlich nur ist, was uns
dient und frommt,
In irdischem Gefäße
Himmelsklarheit,
In Bild und Zeichen Tag der
ew’gen Wahrheit;
Im Traum, was aus dem
Ewigwachen kommt;
In sieben Farben heil’gen
Geistes Strahl,
Sanft dämmernd Pilgern hier im
Nebelthal.
Und hättest du den lichten Tagesstrahl
Dr reinen Weisheit, die du klar
erkanntest,
Vergebens in die Nacht der
Sinne sandtest
Du ihn zu Menschen in der
Dämmrung Thal.
Der Funke, welchen einst
Prometheus stahl,
Bracht’ wenig Frommen; wenn du
heiß entbranntest
Für Licht und Recht und sie
nicht mildernd banntest
In ird’sche Hülle, schafften
sie nur Qual.
Die Weisheit, welche eins mit
heil’ger Liebe,
Als sie der Menschheit sich
erbarmen wollte,
Die rathlos in der Nacht des
Todes saß,
Sann, wie sie menschliche
Verhüllung übe,
Weil nicht ihr Lichtglanz
schmetternd blenden sollte
Den Blick; so aller Hoheit sie
vergaß.
Der Menschen Art ist tausend,
bunt der Brauch
Der Dinge; jeder lebt des
eignen Sinns
Mit mannichfachem Wunsch und
Wollen; Zins
Beut ihm das Leben nach des Herzens
Hauch
Zu dem, zu jenem Ideal. Ein
Rauch
Und Morgennebel steigt es
Anbeginns
Durchglüht vom Aufgangsstrahl;
doch des Gewinns
Ertrag ist kurz, ein Rauch
verschwindet’s auch.
Doch will ein Gott dir wohl,
zum schönen Ziele
Kannst du dennoch auf manchen
Wegen gehn;
Er ist mit dir und segnet deine
Tritte.
Dir dient dein Pfad nicht bloß
zum eitlen Spiele;
Aus dem, was schnell vergeht,
mag auferstehn
Ew’ges durch ihn, der Anfang,
Ziel und Mitte.
Nahst du dem Tempel, laß die
Sünde draußen;
Wo Gottes heil’ge Heer’
unsichtbar walten,
Dich sanft umschweben
himmlische Gestalten,
Darf dir nicht Schalkheit tief
im Innern hausen.
Du hörst den Sturm in
Wolkennacht erbrausen,
Siehst Schwefel tausendjähr’ge
Eichen spalten,
Und lebst; darfst du dich drum
für sicher halten
Und frech den Genius am Barte
zausen?
O, opfre nicht, im Herzen andre
Rede
Als auf der Lippe, heuchelnd im
Gemüthe,
Mit stummen Rauchfaß Gräu’l,
der Fluch gebiert.
Ein reines Herz besiegt der
Gaben jede;
Ein Herz voll Unschuld, Gradheit,
Licht und Güte
Bring’ freudig dar; so bist du
hochgeziert.
Und ward dir Gnad’ an hohen,
hehren Festen
Im heil’gen Tempel, flugs nicht
aller Ecken
Die Seel’ in Wust des Irdischen
zu stecken,
Sei eingedenk, zu deinem eignen
Besten.
Ach, nicht sofort zu Orleans
Palästen
Die Hoffnung ausgesandt; was
frommt’s zu wecken
Den Wunsch nach Rothschild’s
goldgeborstnen Säcken.
Weh, wenn Dergleichen Seufzer
dir entpreßten!
Wird hier die dürre Hoffnung
blühn und grünen,
Im Erdenstaub, bauchkriechend
gleich der Schlange?
O willst du flehn, fleh’ gleich
auch um ’was Rechtes.
Der Himmel hört allein das
Flehn der Kühnen:
Um Seine Liebe fleh’, nicht
wählend lange;
Da dirs vergönnt, o wähle
Ew’ges, Echtes!
Sorg’ nur, daß Gold, die Ursubstanz,
nicht fehle
Am Hafenplatz, auf Schiffen, im
Gezelt;
Durchstöbre rastlos jeden Theil
der Welt;
Gilt es Gewinn, verkauf’ selbst
deine Seele.
Der Erste heb’ vom dürstenden
Kameele
Den Zimmt- und Pfeffer-Sack;
und gilt es Geld,
Schwör’ falsch, lüg’ und
betrüge schlau verstellt,
Daß Reichthums Göttin bald sich
dir vermähle.
Hintan die Tugend; o, die gute
naht
Mit Lieb’ und Ansehn,
Schönheit, Ehr’ und Pracht
Gutwillig schnell, wo holder
Reichthum glänzt.
Sie kommt von selbst: dort
kommst du leicht zu spat.
Du zögerst? Wohl, so sei in
Armuth-Nacht
Bei Salz und Brod denn Wasser
dir kredenzt.
Gottloser Reichthum wächst; wie
toller stets
Die Rosse traben, wenn sie
sticht der Haber,
Wird Gold gehäuft; allein ein
traurig Aber,
Ach, mit dem Glückskind nun zu
Ende geht’s.
Trotz seiner Gattin Fasten und
Gebets,
Todtenposaune, Bahr’ und
Kandelaber
Mit Leichen-Rosmarin. Schon
nahn die Traber:
Noch ein Sekündchen! Keiner,
ach, erfleht’s.
O Schauspiel, dort der Füße
starre Sohlen
Hoch vom Gerüst thorwärts
gestreckt zu sehn,
Die lang’ auf jedem Pfad nach
Reichthum rannten!
Habgier’ger, fühlst du brennen
nicht die Kohlen,
Die heiß von dort ob deinem
Haupt ergehn?
Weh, wenn sich dir nicht ein
die Spuren brannten!
Wer schlecht von Schlechten
spricht, ist drum kein Schlechter,
Der ist’s, der feige gut von
Schlechten spricht,
Und schlecht von Guten, der ein
Lästrer nicht,
Der Lästrer schilt; was statt
des Schwertes brächt’ er?
Und rauhes Wort bezeugt nicht
den Verächter
Von menschlich edler Bildung;
nimmer bricht
Ob edler Kunst und höh’ren
Wissens Licht
Den Stab im Zorn er, ist’s nur
ein gerechter.
Nein, hier ist nicht, der Kugel
und Cylinder
Im Staub beschrieben, Ziffern
auf der Fläche
Des Marmortisch’s im Wein,
dummklug belachte.
Nein, Männern gilt’s, die
Kinder sind, und minder
Als Weiber Tugend, Ernst und
Weisheit üben;
Fern, daß ein menschlich Edles
ich verachte.
Des Klugen Geist sei deines
Liedes Faden,
Des Weisen Spruch dein Weg;
doch allermeist
Nachfolgend eignem und nicht
fremdem Geist,
Gehst du auf neuen wie auf
alten Pfaden.
Treu deinem Schutzgeist ehre,
was von Gnaden
Dir eine freundlich-höh’re
Macht erweist,
Folgsam, wo es „Zieh’ aus die
Schuhe“ heißt;
Doch wisse: fremder Eingriff
bringt dir Schaden.
Einfalt und Hoheit bringt die
Demuth dir,
Die treulich deinem Dämon du
erzeigest;
So führt dich mancher Weg zu
einem Ziel.
Also bezwigst du siegreich für
und für,
Was aus und unter dir, dich
selbst und steigest
Zur Einheit auf, und Ernst
durchherrscht dein Spiel.
Ein weiser Dichter sprach, den
längst geborgen
Die stille Erd’ Hesperiens
begräbt:
„O Jener wahrlich hat nicht
schlecht gelebt,
Der lebend, so wie sterbend
lieb verborgen!“
Und Seele du, die in den
lichten Morgen
Des ew’gen Tags schon jetzt den
Scheitel hebt;
Ob unbekannt der Welt dein Bild
entschwebt,
Dein Name schwindet, willst du
thöricht sorgen?
O nimmermehr! Mit Christ sind
wir begraben
In Gott, mit ihm verborgen
unser Leben,
Daß herrlich wir mit ihm
dereinst erstehn.
Hier bringt Verlieren Vortheil
und nicht Haben;
Laßt täglich uns mit ihm zu
sterben streben,
Froh, wenn er winkt, zu ihm
hinübergehn.
Süß, wenn auf uns der Leute
Finger deutet,
Ei, seht doch, Freunde, der
dort ist der Mann!
Er schuf’s; er, der zuerst es
ausersann:
Süß ist das Mitleid, süßer
„sein beneidet“.
Und doch auch hier mein Sinn
sich gern bescheidet,
O schönen Vortheil auch wohl
der gewann,
Der treu verschwiegen geht des
Lebens Bahn,
Dem kein vertrautes Wort der
Zung’ entgleitet.
Und schwebt er nicht auf aller Zung’
und Lippen,
Ein Freund doch schätztz die
zuverläss’ge Brust,
Die ernst und treulich das
Geheimniß wahrt;
Gerecht und edel flieht er
manche Klippen,
Der Billigung des Gottes sich
bewußt,
Ward gleich kein glänzend Loos
ihm aufgespart.
Mir wohnt ein Mann in fern
entlegnen Landen
Von hellem Geist und gut, klug
sonder List,
Der unermeßlich mir verschuldet
ist,
So wie ich ihm, seitdem wir
zwei uns fanden.
Und seltsam! diese
wechselseit’gen Banden
Des Gläubigers und Schuldners,
hört und wißt,
Sie dauren fort für nun und
jede Frist,
Doch sind wir quitt und völlig
einverstanden.
Und er ist mir und ich bin ihm
sehr hold;
Wohl unter einem Stern sind wir
geboren,
Wir sind uns fern, doch immer
uns verloren.
Allein versteht, die Red’ ist
nicht von Gold!
Nur Freundschaft ist der
Freundschaft Zins und Sold;
Es ist ein Freund aus Taufenden
erkoren.
Wo riesenschultrig vor die
Klippen springen,
Am scharfen Fels die Woge
zischt und sprüht,
Mit reicher Thalung sich
landeinwärts zieht
Der donnernde Neptun mit wildem
Ringen;
O schöne Mondbucht, könnt’ es
mir gelingen,
Im Häuschen, das die Wogen
übersieht
Dort von der Höh’, nachdem der
Herbst verglüht,
Mit meinem Freund den Winter zu
verbringen,
Wie’s Persius und Bassus einst
gelang
Am Wogenbruch und lauen Ligusstrande,
Fern von der Stadt und tollem
Lärm der Welt!
Weisheit und Dichtkunst
schlangen eng’ die Bande
Der Freunde; beim Gesang und
Becherklang
Schön am Kamin ward Winternacht
erhellt.
O du, mit dem ich unter trautem
Dache
Der Nächste Anfang oft so süß
verwacht,
Nach kleinem Mahl philosophirt,
gelacht;
Die Stunden flohn, wie Fluth im
klaren Bache.
Beim Lampenschein im einsamen
Gemache
Oft saßen wir, wenn schon
entwich die Nacht,
Durch enge Ritzen junger Strahl
getagt,
Mit Stäubchen spielend, daß ein
End’ er mache.
Dem ein Bewundern, Lieb’ und
reges Streben
Mich eint, Leid, Freude, Last
und Rast verbinden,
Ein Stern geleitet auf den Pfad
durch’s Leben:
O hätt’ ich hundert Zungen
anzuheben,
Wie hehr in meines Busens
Irrgewinden
Dein Bild befestigt steht, laut
zu verkünden!
„Steh fest, Mann, handle kühn
und sei kein Beber,
Sprich aus das Wort, mag’s
nicht dein Herz beengen,
Weißt, kannst du ’was, es wird
dich ängst’gend drängen,
Bis solcher Sauerteig
zersprengt die Leber!
Sei Gottanstreber, sei kein
Erdankleber;
Die Felswand muß der Feigenbaum
zersprengen.
Hindurch dein Herz in That, in
Wort, in Klängen,
Wo Dickicht hindert, rasch
hindurch, ein Eber!
Was dich beseelt von Kunst,
Kraft, höh’rem Wissen,
Begeisternd dich hoch über dich
erhebt,
Heraus an’s Licht aus trägen
Finsternissen.
Ein Feigling, wer vor Lob und
Tadel bebt,
Schwert in der Scheid’ zu
schonen nur beflissen:
Nichts, was du weißt, wofern
nicht All’ es wissen.“
Was hier und dort geschrieben
meine Feder,
Recht war’s gemeint, trägt’s
Flecken gleich und Fleckchen;
Die Thoren stutzten; bleich
wird Geck und Geckchen,
Wo frisch nur zieht Satyrikus
vom Leder.
Zypressenkästleins werth und
Oels der Ceder
Wohl schrieb ich gern. Doch
welch Paquet von Päckchen
Ist Lob des Volks? Schütt’ aus
des Sackes Säckchen,
Die in dem „ei, wie hübsch!“
befaßt ein Jeder.
Der lobt und preist ein
jämmerlich Geweine,
Geeignet, Strömen Ursprung zu
verleihn,
Bei Andern darfst nicht laute
Lache sparen.
Der liebt das Edle, Jener das
Gemeine,
Ist’s Heldenthun, Kraft,
Freundschaft, Liebe, Wein?
Poet, such’s Jovis Ohren zu
bewahren!
Oft gleicht mein Genius dem
Flügelroß,
Durch blaue Luft hoch in die
Aetherferne,
Bis wo verdämmern letzte
Nebelsterne,
Hineilend wie der Sonne
Glanzgeschoß.
Doch oft gleicht er dem
Thierchen, das nicht groß,
Grau, langsam schreitet,
duldsam tief im Kerne:
Getreidekörner trägt zur Mühl’
es gerne,
Obwohl dem Stock und jedem
Spotte bloß.
Denn wohl bepackt mit Kist’ und
Kräutersäcken,
Mit Pflastern, Wurzeln,
Apothekersachen,
Zieht ruhig es die Straßen
sonder Klagen,
Freiwillig bald, bald unter
Treibers Stecken,
Bald ernsthaft, bald selbst mit
iron’schem Lachen,
Rings bringend Heil für Kopf
und Herz und Magen.
Die Zeilen sehend, muß ich fast
erblassen:
Nicht einfach, ungeschmückt,
noch ungeziert
Sind sie fürwahr, und oft sehr
ungenirt,
Im Negligée sie frei sich
blicken lassen.
Bald holz-, bald tanzbeschuht
daher die Gassen
Nennt manch Sonnet, und eilend
sich verliert,
Schlottricht gekleidet, frei
und ungeschnürt;
Den Ernst und rechten Anstand
scheint’s zu hassen.
Und doch in dem nachlässigen
Gewande,
Das Freiheit kühn’rer Rede ihm
verschaffte,
Scheint oft ein sichres Etwas
vorzublicken
Von jenes Mannes Denkart und
Verstande,
Den weg des Schierlings grause
Schlürfung raffte,
Und dessen Wort selbst Thoren
mocht’ berücken.